Wuhan im Lockdown: Leben im Zentrum der Corona-Pandemie
Der Ausbruch des neuartigen Coronavirus hat unser tägliches Leben massiv beeinflusst. Das öffentliche Leben ist vielerorts zum Erliegen gekommen. Weltweit sorgen sich Experten um die Kapazitäten der Gesundheitssysteme. Qi Liao war in Wuhan, dem Epizentrum der Pandemie, zum Zeitpunkt des Ausbruchs.
Während die Welt anfangs noch besorgt auf die Entwicklungen in China blickte, sah sich unsere Kollegin Qi Liao bereits mit dem Coronavirus konfrontiert. Wie hat sie die ersten Wochen der Gesundheitskrise erlebt? Und was hat sie während der Ausgangssperre der Stadt gelernt?
Im Auge des Sturms: Der Ausbruch des Coronavirus in Wuhan
Qi Liao arbeitet in der Internal Audit Abteilung von thyssenkrupp China und war in Wuhan als die Corona-Pandemie ausbrach. „Ich bin am 21. Januar mit dem Schnellzug von Shanghai nach Wuhan zurückgekehrt. Am Tag zuvor hatte Professor Zhong Nanshan, Experte für Atemwegserkrankungen und ehemaliger Präsident der Chinese Medical Association, bestätigt, dass das Coronavirus von Mensch zu Mensch übertragen werden könnte und alle waren sehr nervös“, erinnert sich Liao.
Qi Liao, Betriebsprüferin bei thyssenkrupp China, fand sich an vorderster Front der Pandemie in Wuhan, China und reflektiert ihr Leben während der Ausgangssperre.
Obwohl das chinesischen Neujahrsfest kurz bevorstand, waren nur wenige Menschen unterwegs als sie am nächsten Tag in das Einkaufzentrum auf der anderen Straßenseite ging, erinnert sich Liao. „Es waren kaum Menschen in der Mall und von Neujahrsstimmung war keine Spur. Aber anfangs waren wir uns dem Ernst der Lage noch nicht bewusst.“ Bis zum 23. Januar – als die Stadt Wuhan eine strenge Ausgangssperre verhängte. „Dann wurden wir vorsichtig. Wir sind immer noch gelegentlich rausgegangen, um frische Luft zu schnappen, aber haben versucht die Anzahl der Spaziergänge auf ein Minimum zu reduzieren.“, erzählt uns die Betriebsprüferin. Drogerien und Supermärkte in Wuhan waren weiterhin geöffnet, aber um die Pandemie einzudämmen, durften die Bewohner Wuhans ihre Stadt nicht mehr verlassen.
Obwohl die Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahrsfest kurz bevorstanden, herrschte auf den Straßen in Wuhan Leere.
Leben im Lockdown: Putzen, lesen und Dumplings wickeln
Ein paar Tage später wurde das Viertel von Qi Liao ebenfalls geschlossen. „Die größte Veränderung war, sich auf die in der Nachbarschaft angebotenen Lebensmittel zu verlassen, anstatt auf den Markt zu gehen, um Vorräte zu kaufen“, sagt Liao. In den kommenden Wochen wurde das Einkaufen im Viertel zu einer kleinen täglichen Aufgabe für sie. „Ich habe auch jeden Tag den Boden gewischt und die Wohnung desinfiziert. Ich glaube, so viel habe ich in all den letzten Jahren nicht geputzt.“, sagt Liao.
Durch die Isolation konnte Liao aber auch mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. „Wir haben Dumplings gewickelt, Brötchen zusammen gebacken und viel gelesen.”, erinnert sie sich daran, wie sie und ihre Eltern die Zeit während der Ausgangssperre verbracht haben. Verwandte und Freunde blieben über soziale Netzwerke in Kontakt und informierten einander über ihren Gesundheitszustand. „Wir haben uns täglich über WeChat ausgetauscht und in den Familien- und Freundesgruppen über Infektionen aus unserem Umfeld berichtet. Hin und wieder haben Freunde und Kollegen Grüße und liebe Worte geschickt. Das war wirklich schön!“, erinnert sich Liao.
Die Ausgangssperre ermöglichte es Qi Liao, mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen: Dumplings wickeln und gemeinsam kochen.
Mentalitätswandel: Erkenntnisse durch die Pandemie
Glücklicherweise hat sich keiner von Liaos Verwandten und Freunden angesteckt, dennoch hat sich ihre Einstellung durch die Pandemie verändert. „Ich erinnere mich, dass ich einmal mit Kopfschmerzen aufgewacht bin und mich übergeben musste. In dem Moment war ich sehr nervös. Es ist nicht so, dass ich Angst davor hatte mich selbst zu infizieren. Aber meine Eltern und viele meiner Verwandten gehören zur Risikogruppe und ich hatte Angst, sie anzustecken.“ Liao erholte schnell, aber die angespannte Lage dauerte rund einen halben Monat. Erst als die lokale Regierung weitere Maßnahmen ergriff und mit dem Bau eines Krankenhauses begann, fühlten sich Liao und ihre Familie sicherer.
Mittlerweile scheint es, als sei die Corona-Epidemie in China unter Kontrolle und Wuhan kehrt langsam zur Normalität zurück. „Was das Leben betrifft, so hat mir diese Epidemie gezeigt, dass Gesundheit und Familie sehr wichtig sind. Ich werde zukünftig mehr Sport treiben und auch meine Eltern motivieren, sich mehr zu bewegen und auf ihre Gesundheit zu achten. Und in Zukunft mehr Zeit mit meiner Familie verbringen.“, reflektiert Qi Liao die Krise. Darüber hinaus lernte sie, dankbar und freundlich zu anderen und sich selbst zu sein und nicht egoistisch zu handeln. „Ich glaube, dass die Epidemie wie ein Spiegel ist, der uns viele Seiten der Menschlichkeit zeigt – nicht nur zwischenmenschlich, sondern auch zwischen Nationen.“
Rückkehr zur ‚Normalität‘ – Leben nach COVID-19
Bevor die Ausgangssperre in Wuhan am 8. April aufgehoben wurde, konnten Liao und ihr Team nur von zuhause aus arbeiten, E-Mails abrufen und per Telefon kommunizieren. „Es ist natürlich nicht perfekt und nicht so angenehm wie eine Face-to-Face Unterhaltung – aber es funktioniert“, sagt Liao. „Ich bin dankbar für meine tollen Kollegen, die mich in der schwierigen Zeit unterstützt und die Arbeit geteilt haben“, freut sie sich rückblickend auf die gute Zusammenarbeit der vergangenen Monate.
Inzwischen ist Qi Liao wieder nach Shanghai zurückgekehrt.