Job und Familie: Alles unter einem Hut?
Im Job alles geben und gleichzeitig die Kinder versorgen – im Alltag fordert die Vereinbarung von Beruf und Familie von Eltern ganzen Einsatz – zu Zeiten von Corona mehr denn je. Wie können berufstätige Mütter und Väter beiden Seiten gleichermaßen gerecht werden? Ein Blick zurück – und einer nach vorne.
Wenn sie nicht gerade wegen der Corona-Pandemie im Home Office sitzt, schaut Kathrin Dennler aus ihrem Büro direkt auf eines ihrer Herzensprojekte: die thyssenkrupp Kita Miniapolis. Normalerweise spielen rund 100 Kinder bei schönem Wetter im Garten der Kindertagesstätte, während 80 Prozent der Eltern gleich nebenan im Quartier arbeiten. Die anderen Plätze sind für Kinder aus umliegenden Stadtteilen vorgesehen. Kathrin Dennler hat das Konzept, um Job und Familie zu verbinden, erarbeitet und 2012 erfolgreich umgesetzt. Der bildungsorientierte Ansatz und das moderne Programm machen sie stolz.
Vollzeit-Job nach der Schwangerschaft? Vor 18 Jahren gar nicht so leicht
Als Kathrin Dennler ihr erstes Kind erwartet, stand keine Kita auf dem thyssenkrupp Gelände. Vor 18 Jahren gab es kein Konzept für Teilzeitarbeit, statt Elterngeld erhielten Familien noch Erziehungsgeld, eine pauschale Unterstützung für den Elternteil, der seine Arbeitszeit zugunsten der Kinder reduzierte.
Kathrin Dennler war zu diesem Zeitpunkt eine der wenigen Frauen bei thyssenkrupp, die nach der Schwangerschaft schnell wieder Vollzeit in den Beruf zurückkehrte. Das ermutigende Beispiel, das hilfreich gewesen wäre, musste sie selbst für andere sein. „Es fehlte mir einfach an Vorbildern. Es gab keine Frau, die mir hätte sagen können: ‚Mach dir keine Sorgen, es ist anstrengend, aber möglich.‘“
Kind und Karriere: „Das war damals nicht einfach“
Stattdessen stieß Kathrin Dennler, junge Mutter und zurück im Job, oft auchauf Skepsis. „Mal sehen, ob das klappt – das habe ich schon zu hören bekommen. Es war auch ein großer Druck, beweisen zu wollen, dass es durchaus klappt.“ Eine große Hilfe war damals ihr direkter Kollegenkreis und ihr Vorgesetzter. Drei Monate übernahm ein Kollege ihre Abteilung als Vertretung, dann kam Kathrin Dennler zurück.
Heute hat sie es allen kritischen Stimmen gezeigt – Kind und Karriere, es geht beides. Kathrin Dennler hat zwei Kinder, heute 19 und 15 Jahre alt, großgezogen. Und sie hat Job und Familie erfolgreich verbunden: Seit 2020 ist sie Head of Human Relation Management der thyssenkrupp AG.
Teilzeitmodelle, Betriebskita, Jobsharing: Heute unterstützt der Arbeitgeber aktiv
Wie hat sie Job und Familie unter einen Hut bekommen? Unterstützung kam für sie aus dem privaten Umfeld. „Mein Partner hat ebenso wie ich einen großen Anteil geleistet, wenn es um Betreuung und Erziehung ging.“ Im Job war es für Kathrin Dennler oft ein Ausprobieren, ein Herantasten. Jedes Jahr aufs Neue.
Heute unterstützen viele Arbeitgeber Mütter und Väter aktiv. Wie Kathrin Dennler, muss auch Daniela Defort ihre Zeit genau einplanen, damit neben dem Job genug Zeit für schöne Momente mit den Kindern bleibt, doch heute unterstützt der Konzern mit Teilzeitmodellen und flexiblen Lösungen in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aktuell – in Zeiten der Corona-Pandemie – mehr denn je. Die Krise stellt Arbeitgebern und berufstätigen Eltern vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Ohne flexible Lösungen läuft aktuell nichts.
2020: Mehr Unterstützung für Mütter und Väter
Doch nicht für alle ist die „neue Normalität“ fremd. Daniela Defort hat bereits Erfahrung mit individuellen Home-Office-Reglungen und Arbeitszeitgestaltung. Sie kam vor rund acht Jahren als Team Assistenz im Bereich Datenschutz zu thyssenkrupp. Nach einer Station im Bereich Diversity & Inclusion ist sie heute im HR Controlling des Konzerns tätig. 2014 dann ein weiterer Vollzeitjob: Ihre erste Tochter kam zur Welt. Zu dem Zeitpunkt gab es in ihrem Kollegium bereits viele berufstätige Eltern.
Anders als Kathrin Dennler konnte sich Daniela Defort als frischgebackene Mama auf flexible Arbeitsmodelle ihres Arbeitgebers verlassen: „Mir wurde stets vermittelt, dass am Ende des Tages das Ergebnis zählt – und nicht ob ich dies in 2,3 oder 5 Stunden, vor Ort im Büro oder aus dem Home-Office erbracht habe.“ Dieses Vertrauen ineinander und eine offene, ehrliche Kommunikation ist für Daniela Defort nicht nur in Zeiten einer globalen Pandemie eine absolute Grundvoraussetzung für eine tolerante Arbeitsweise.
Auch sechs Jahre später, nach der Geburt ihrer zweiten Tochter und dem erneuten Wiedereinstieg nach der Elternzeit, schätzt Daniela Defort die hohe Flexibilität in der Gestaltung ihrer Arbeit, die thyssenkrupp ihr ermöglicht. Nach beiden ihren Schwangerschaften kehrte sie in Teilzeit ins Unternehmen zurück – erst 10, dann 15 Stunden die Woche. Heute arbeitet Defort 20 Stunden und vier Tage in der Woche – wenn nötig auch vom heimischen Schreibtisch aus. „Den Freitag habe ich frei, um Dinge für das Wochenende zu organisieren wie z.B. den Großeinkauf. Mit der aktuellen Zeitregelung fahren wir recht gut, da nicht das ganze System bei der kleinsten Störung sofort zusammenbricht.“
Job und Familie: Teilzeitmodelle kommen vielen Eltern entgegen
Diese flexiblen Möglichkeiten nehmen vor allem Druck für berufstätige Eltern raus, sagt Defort: „Mit Kindern ist man durch die Betreuungszeiten von Tagespflege, Kita und Schule in seinen Möglichkeiten begrenzt.“ Neben Sport, Musikschule, Besuchen bei den Großeltern und Arztterminen ist Zeit im Familienalltag schnell Mangelware. „Wenn ich mir dann mal den Arbeitsweg sparen kann, gibt mir das schon wieder eine Stunde mehr Zeit am Tag – ein Hauptgewinn! Genauso wenn ich einen Teil meiner Arbeit auch in den Abendstunden erledigen kann.“
Der zweifachen Mutter ist wichtig, dass neben dem Beruf genügend Zeit für ihre Töchter und das gemeinsame Familienleben bleibt. „Flexibles Arbeiten ermöglicht, dass ich den Nachmittag ausgiebig mit meinen Kindern verbringen kann und genug Spielraum für Aktivitäten habe, ohne ständig gehetzt zu sein. Durch Teilzeit, Home-Office und flexible Arbeitszeiteinteilung werde ich so entlastet, dass ich eine – meist – entspannte Mama sein kann.“
Rahmenbedingungen müssen klar definiert sein – für beide Seiten
Fragt man Kathrin Dennler und Daniela Defort nach ihren Tipps für andere Eltern, ist die Antwort trotz aller Unterschiede zwischen den beiden Frauen und unabhängig von der aktuellen Corona-Pandemie sehr ähnlich. „Schon wenn ein Kind unterwegs ist – am besten noch vorher – sollten sich Paare austauschen, wie sie sich die Aufteilung der Betreuung und das zukünftige Arbeiten und Zusammenleben vorstellen können.“, sagt Daniela Defort. „Jedes Elternteil sollte sich über die eigenen Wünsche und Möglichkeiten klar werden.“
Wer bleibt zuhause? Wann soll das Kind in eine externe Betreuung? Wer in der Familie kann unterstützen? Ein Plan B – da sind sich die beiden Frauen einig – sollten berufstätige Eltern auch in einem flexiblen Arbeitsumfeld immer in der Hinterhand haben.
Auch Kathrin Dennler hält offene Kommunikation für das A und O – sowohl Zuhause als auch im Job: „Die Rahmenbedingungen müssen ganz klar formuliert sein. Wenn das Kind die Windpocken bekommt oder die Kita schließt, muss im Zweifel ein arbeitender Elternteil zuhause bleiben. Das sollte man vorher einmal mit seinem Chef besprochen haben.“ Vorbereitung und Organisation sind in solchen Situationen alles – und Eltern müssen sich darüber im Klaren sein, was auf sie zukommt. „Mit dem Stress im Job und den Kindern im Privaten, kann es schnell zu einer 200-Prozent-Belastung werden. Es hilft, wenn schon vorher besprochen wurde, wer im Notfall einspringen kann.“
Doch auch dieses Modell sollte regelmäßig überprüft werden, findet Daniela Defort. Passt das noch? Werden Belastungsgrenzen überschritten? Fühlen sich beide Elternteile wohl in ihren Rollen? „Oft bedarf es nur kleiner Veränderungen und alles läuft wieder top! Offen und ehrlich sein, zuhören, ernst nehmen – das finde ich in einer Familie sehr wichtig.“
Flexibilität im Krisenfall: Corona verlangt berufstätigen Eltern viel ab
Mit dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus Anfang 2020, hat eine flexible Arbeitsweise für Daniela Defort, Kathrin Dennler und viele andere Eltern in Deutschland noch mehr an Bedeutung gewonnen. Durch Kita- und Schul-Schließungen verlangt der Spagat zwischen Job und Familie vielen Müttern und Vätern zurzeit noch mehr ab. Mit Corona ist gar nichts mehr planbar.
„Aktuell muss der Großteil der berufstätigen Mütter und Väter nicht nur organisieren wer sich wann um die Kinder kümmert sondern auch organisieren welche Arbeitsaufgaben von beiden Elternteilen wann Priorität haben.“, beschreibt Dennler die aktuellen Herausforderungen. Vor allem Familien mit jüngeren Kindern, die noch nicht selbständig sind, und Alleinerziehende sind von der Krise besonders getroffen. „Kleine Kinder verstehen einfach nicht warum Mama und/oder Papa nicht ansprechbar sind obwohl sie doch zu Hause sind.“, erklärt Dennler. Auch deshalb müssten Arbeitgeber aktuell flexible Lösungen für Eltern anbieten.
Die Corona-Krise macht aber auch auf noch immer bestehende strukturelle Missstände deutlich. Laut einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung von 7700 Erwerbstätigen leiden vor allem die Mütter unter der aktuellen Situation. Die Ergebnisse der Befragung zeigen: Wenn Eltern in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen einspringen müssen, tragen Mütter die Hauptlast. So haben laut Hans-Böckler-Stiftung in Haushalten mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren 27 Prozent der Frauen, aber nur 16 Prozent der Männer ihre Arbeitszeit reduziert, um die Kinderbetreuung während der Krise zu gewährleisten.
Die Entscheidung welches Elternteil zuhause bleibt, beruht laut Hans-Böckler-Stiftung auf finanziellen Überlegungen – oft könnten Familien eben nicht auf das immer noch höhere Gehalt des Mannes verzichten, so die Forscher. Knappe Kitaplätze und fehlende Betreuungsangebote haben diese Benachteiligung von Müttern auch vor der Corona-Krise schon zusätzlich verstärkt.
Vereinbarkeit von Job und Familie: In einigen Bereichen muss nachgebessert werden
Auch Daniela Defort ist der Meinung, dass die Politik an dieser Stelle noch zu wenig tut. Ihre ältere Tochter geht ab August in die Schule. Trotz Berufstätigkeit beider Eltern, gibt es für das Mädchen keinen Betreuungsplatz in der Ganztagsschule. Defort wird dann umso mehr auf ihre flexiblen Arbeitszeitreglung bei thyssenkrupp zurückgreifen müssen. „Mit viel Glück darf meine Tochter in die Vormittagsbetreuung bis 13 Uhr. Bei vielen Eltern, die in der gleichen unglücklichen Situation sind, bedeutet dies aber, dass ein Elternteil seine Arbeitszeit reduzieren muss – meist die Mutter.“
Verbesserungen in der Betreuung sind dringend nötig, damit Eltern den Nachwuchs und die Karriere unter einen Hut bekommen können, findet auch Kathrin Dennler. „Das Angebot an Kindertagesstätten ist völlig unzureichend. Daran muss in Deutschland dringend gearbeitet werden“, so Dennler. „Aber wenn wir uns anschauen, wo wir zur Zeit der Geburt meiner ersten Tochter standen und wo wir heute sind – dann bin ich sehr optimistisch, dass wir in dem Bereich schnell Fortschritte machen werden.“
Elternfreundliches Umfeld ist heute Teil der Unternehmenskultur
Sieht man die Erfahrungen von Daniela Defort und Kathrin Dennler im Vergleich, bleibt nur ein Schluss: Vor allem auf Seite des Arbeitgebers hat sich in den vergangenen 20 Jahren vieles geändert. „Neben allen Möglichkeiten wie Teilzeitarbeit, Job Sharing, der Pflegehotline oder dem Eltern-Kind-Büro hat sich inzwischen auch die generelle Haltung Eltern gegenüber geändert. Eltern zu unterstützen, ist Teil der Unternehmenskultur geworden“, sagt Kathrin Dennler.
Die Corona-Pandemie hat diese Angebote nun auf die Probe gestellt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der „neuen Normalität“ nach der Krise entwickelt.