Neue Formen: U-Boot-Bauteile aus dem 3D-Drucker
Industrielle Bauteile aus hochmodernen 3D-Druckern haben entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlich produzierten Komponenten. Die Marine-Experten von thyssenkrupp in Kiel arbeiten daher mit Hochdruck daran, 3D-gedruckte Bauteile auch für den U-Boot-Bau wirtschaftlich zu machen. Die nötigen Qualitäts- und Sicherheitsstandards sind bereits gesetzt – gemeinsam mit einem Spezialisten-Team von thyssenkrupp in Mülheim fokussieren sie sich jetzt auf ein großes Ziel: die ersten in Serie gedruckten U-Boot-Komponenten.
3D-Druck – in der Industrie „additive Fertigung“ genannt – erlaubt die Fertigung von Bauteilen, die mit konventionellen Verfahren nur schwer oder überhaupt nicht hergestellt werden können – und oft stabiler, belastbarer und leichter als klassisch hergestellte Bauteile sind. Auch der herkömmliche Prozessschritt des Werkzeug- oder Formenbaus entfällt. Ein weiterer bedeutender Vorteil des Hightech-Druckverfahrens ist der Faktor Zeit – durch weniger Prozessschritte läuft die Herstellung von Komponenten deutlich schneller.
Die U-Boot-Experten der thyssenkrupp-Werft in Kiel sehen den 3D-Druck deshalb schon lange nicht mehr als „Spielerei“. Ihr Ziel: Ernst machen – und auch endlich sicherheitsrelevante Bauteile für ihre Schiffe serienmäßig drucken. Das ist durchaus realistisch: Bereits heute werden Standardteile – ohne besondere Anforderungen an deren Zuverlässigkeit – aus dem 3D-Drucker in U-Booten eingebaut. Und auch bei Nachrüstaktionen kommen schon jetzt gedruckte Bauteile zum Einsatz. Einer der Projektverantwortlichen am Standort Kiel sieht dies aber nur als einen ersten Schritt auf dem Weg zum langfristigen Ziel: „Der 3D-Druck soll wirtschaftlich Sinn für das Unternehmen ergeben – und bald schon ganz selbstverständlich eingesetzt werden.“ Da die Forschung in diesem Bereich starken Sicherheitsauflagen unterliegt, erwähnen wir die verantwortlichen Mitarbeiter in diesem Artikel nicht namentlich.
Die Vorteile des 3D-Drucks: Weniger Gewicht, dabei schnell und flexibel
Im Gespräch erklären die 3D-Druck-Experten des Marinegeschäfts von thyssenkrupp, dass der 3D-Drucker nur dann eingesetzt werden soll, wenn es hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit, der Arbeitsprozesse und der Qualität sinnvoll ist: „Wir sind schneller, können Kosten sparen und flexibler sein. Und wir können andere Materialien herstellen und Bauraum verringern. Durch die Gewichtsersparnis können wir zudem Kosten senken und der Werft und dem Kunden Freiräume in der Gestaltung des Bootes ermöglichen.“ Ein Beispiel: Bei einem Hydraulikblock aus dem Drucker können 83 Prozent Gewicht eingespart werden. Das bedeutet auch für die Mitarbeiter in der Fertigung eine Erleichterung ihres Arbeitsalltags: „Es ist natürlich ein Unterschied, ob jemand 14 oder 2,1 Kilo anschrauben muss“, so die Experten.
Neben der Reduktion des Gewichts der Bauteile ist die Flexibilität ein großer Vorteil des Verfahrens. Der 3D-Drucker bietet die Möglichkeit, alle Elemente mit weniger Prozessschritten herzustellen, individuell zu gestalten und Form und Material individuell anzupassen. Ganz im Gegensatz zum aktuellen Verfahren, bei dem Bauteile aus vielen kleinen Elementen gefertigt werden, die aus verschiedenen Herstellungsprozessen kommen. Eine mechanische Bearbeitung ist zwar immer noch nötig, aber nur noch an einigen wenigen Stellen.
Herausforderung Serienfertigung: Ab wann ist 3D-Druck sinnvoll?
Laut unseren U-Boot-Experten gilt es im Moment „erst einmal die Teile im U-Boot zu finden, die aus dem Drucker kommen könnten. Es müssen Teile sein, bei denen der Druck möglich und sinnvoll ist, also wirtschaftlich. Diese Teile müssen im Design den Randbedingungen des Fertigungsverfahrens angepasst werden.“
Bisher hat das Team bereits erfolgreich Kunststoff-Bündelhalter für Rohre aus dem 3D-Drucker in U-Booten von thyssenkrupp verbaut. Genauso wie gedruckte Bauteile aus Stahl – zum Beispiel den Gehäusedeckel einer Entlüftung. Dieser Stahldruck ist innerhalb des Konzerns bisher nur am thyssenkrupp-Standort Mülheim an der Ruhr möglich. Die Stahlteile, die in die Kieler U-Boote eingebaut werden, werden daher in enger Zusammenarbeit mit dem dortigen Tech Center Additive Manufacturing produziert.
Zusammen ans Ziel: geschäftsübergreifende Zusammenarbeit
Das Tech Center in Mülheim ist die zentrale Anlaufstelle für das Thema 3D-Druck im thyssenkrupp-Konzern und daher auch für die U-Boot-Experten ein wichtiger Kontakt. Denn für Kunststoffbauteile gibt es an der Kieler Werft mehrere kleine 3D-Drucker – aber noch keine Metalldrucker. Denn: Stahl zu drucken erfordert ein hohes Maß an Qualität, etwa hinsichtlich der Klimatisierung, der Räumlichkeiten und der Sicherheitsvorkehrungen.
Die Zusammenarbeit zwischen Kiel und Mülheim laufe deshalb Hand in Hand, so die Marine-Kollegen: „Wir arbeiten direkt zusammen und haben einen engen Draht zueinander. Wir konstruieren die Teile vor – das Tech Center druckt sie dann.“ Außerdem übernimmt das Team in Mülheim die Ausbildung der Ingenieure in Kiel und schult sie zum Thema 3D-Druck: „Wir haben Mülheim miteinbezogen, um alle notwendigen Qualitäts- und technischen Anforderungen für den 3D-Seriendruck garantieren zu können – und ernst zu machen mit der additiven Fertigung.“
Meilensteine setzen: So können Bauteile serienmäßig auf den Markt kommen
Dass die Kieler beim 3D-Druck jetzt Nägel mit Köpfen machen wollen, verdeutlicht auch ein eigenes Zertifikat, das die Projektverantwortlichen gemeinsam mit der renommierten Klassifikationsgesellschaft DNV GL und dem Tech Center Mülheim entwickelt haben. Dafür führte das Team diverse Versuche durch, druckte zahlreiche Testversionen und prüfte das gedruckte Material immer wieder.
„Gemeinsam haben wir so ein Qualitäts-Siegel konzipiert, mit dem wir als erster Anbieter im Marinebereich weltweit in der Lage sind, Bauteile zu drucken und einen ‚Stempel‘ darauf zu setzen, der die Materialkennwerte des fertigen Bauteils nach festgelegten Standards durch unabhängige Prüfstellen garantiert“, so die Verantwortlichen. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur serienmäßigen Produktion – denn die Materialien, die in den Kieler U-Booten verbaut werden, haben einen hohen Anspruch an Qualität.
Ein Blick in die Zukunft des 3D-Seriendrucks für Marine-Lösungen
Durch die hohe Flexibilität, die schnelle, individuelle Herstellung und das geringere Gewicht der Bauteile sind bereits einige Kunden an den Produkten aus dem 3D-Drucker interessiert. „Viele Kunden versprechen sich Vorteile für ihr Geschäft“, sagen die Experten. Ihr Ziel ist klar: „Im nächsten Jahr würden wir gerne erste Teile serienmäßig einplanen. Das bedeutet letztlich, dass die Komponenten ganz selbstverständlich eingebaut werden“. Auf diesem Weg ist das Zertifikat für die Materialkennwerte ein großer Etappensieg.
Laut der Kieler Experten wird es in ferner Zukunft auch interessant werden, „einzelne Ersatzteile auf Nachfrage nachzudrucken. Davon sind wir aktuell zwar noch etwas entfernt. Irgendwann wird man mit einem 3D-Drucker aber das benötigte Teil einfach vor Ort beim Kunden drucken.“
Eine vielversprechende Zusammenarbeit
Mit Wilhelmsen Marine Products möchten wir nun 3D-Druck-Komponenten für Seefahrzeuge anbieten. Hierbei kombinieren wir unsere Expertise im Bereich des Additive Manufacturing mit der Erfahrung von Wilhelmsen Marine Products in der Seefahrt sowie ihrer Arbeit in der Entwicklung des 3D-Drucks für Seefahrzeuge. Für diese Zusammenarbeit nutzen wir die gebündelte Kompetenz des kürzlich eingeweihten thyssenkrupp Tech Centers in Singapore und des Tech Centers für Additive Manufacturing in Mülheim an der Ruhr. Für Jan Lueder, CEO von thyssenkrupp Asia Pacific, ist die Zusammenarbeit mit Wilhelmsen ein Meilenstein auf dem Gebiet des Additive Manufacturing: „Nach der Sicherung der weltweit ersten zertifizierten 3D-Druck-Produktionsanlage für die Seefahrt haben wir uns mit einem der größten Seefahrtsunternehmen der Welt zusammengetan, um unsere Expertise im Additive Manufacturing Kunden weltweit anbieten zu können.“