RESycling für eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft
Im Forschungsprojekt „RESycling“ stellen sich die Kolleg:innen von thyssenkrupp Materials Services der Herausforderung, sogenannte Roheisen-Entschwefelungsschlacke, ein Nebenprodukt der Stahlproduktion,vollumfänglich recycelbar zu machen. Statt auf der Deponie, soll das Nebenprodukt zukünftig in den Wertschöpfungsketten verschiedener Industriezweige Gebrauch finden. Wir haben mit dem Projektleiter Dr. Michael Dohlen über das ambitionierte Forschungsprojekt gesprochen.
Schlacke entsteht bei der Stahlproduktion unter anderem durch die Entschwefelung von Roheisen und wird zum Teil noch ohne Zweitverwertung entsorgt. Das soll sich ändern.
Projektleiter Dr. Michael Dohlen und sein Team bei thyssenkrupp MillServices & Systems haben es sich unter dem Projektnamen „RESycling“ zur Aufgabe gemacht, Roheisen-Entschwefelungsschlacke komplett recycelbar zu machen. Das Projekt ist am 1. Januar 2022 gestartet. Es läuft über vier Jahre und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit der Maßnahme Vermeidung von klimarelevanten Prozessemissionen in der Industrie (KlimPro-Industrie) gefördert.
Weniger Rohstoffabhängigkeit: Die Kreislaufwirtschaft macht’s möglich
RESycling verfolgt das Ziel, eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft zu entwickeln und die Rohstoffabhängigkeit Deutschlands zu verringern. Gemeinsam mit den Partnern Fraunhofer-Institut für Bauphysik, dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse, dem südbayerischen Portland-Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH sowie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf geht das Team rund um Dr. Dohlen diese Herausforderung an.
Bisher landet ein Großteil der Roheisenschlacke aus der Stahlproduktion auf der Deponie. Mit dem Forschungsprojekt RESycling sollen 100% der Schlacke recycelt und in unterschiedlichen Industrien wieder eingesetzt werden.
RESycling – ein vielversprechendes Forschungsprojekt
In Deutschland entstehen jährlich schätzungsweise 450.000 Tonnen Roheisen-Entschwefelungsschlacke. Mehr als die Hälfte wird ungenutzt entsorgt. Das Forschungsprojekt um Dohlen verfolgt einen Zero-Waste-Ansatz – mit großen Potential für die Industrie: „Wir wollen nahezu hundert Prozent der Schlacke recyceln. 200.000 Tonnen könnten in der Eisen- und Stahlindustrie wiederverwendet werden, 180.000 Tonnen in der Zementbranche und 22.000 Tonnen in der Düngermittelindustrie.“, sagt Michael Dohlen.
Wie entsteht Roheisen-Entschwefelungsschlacke?
Um das Potential der Roheisen-Entschwefelungsschlacke und ihre Entstehung zu verstehen, müssen wir uns das Prinzip des Hochofens anschauen: „Ein klassischer Hochofen wird von oben schichtweise mit Eisenerz, schwefelhaltigem Koks und Zuschlagsstoffen wie Kalkstein beschickt“, erklärt Dohlen. „Von Unten wird heiße Luft eingeblasen. Durch das entstehende Kohlenstoffmonoxid werden die Eisenoxide im Eisenerz reduziert.“ Es entsteht flüssiges Roheisen.
In regelmäßigen Abständen wird das Roheisen abgestochen – die klassische Hochofenschlacke entsteht. Bevor das flüssige Roheisen im Stahlwerk weiterverarbeitet werden kann, muss der Schwefelgehalt im Roheisen gesenkt werden. „In einem Entschwefelungsstand wird dem Roheisen Kalk als Schlackenbildner zugeführt. Der Kalk reagiert mit dem Eisensulfid. Der Schwefel wird als Calciumsulfid gebunden“, so Dohlen.
Ein Teil der entstehenden Roheisen-Entschwefelungsschlacke wandert zurück in die Sinteranlage und den Hochofen und wird dort wiederverwendet. „Aber eben nur ein Teil. Der Rest wird entsorgt“, so der Experte. Eine Verschwendung von Rohstoffen, die Dohlen und sein Team jetzt für verschiedene Industriesparten nutzbar machen möchten, etwa in der Zementindustrie und in der Landwirtschaft.
Nutzung in der Zementindustrie
„Um möglichst viel der Roheisen-Entschwefelungsschlacke wiederzuverwenden, ist es unser Ziel möglichst reines Eisen aus der Schlacke zu gewinnen“, erklärt Dohlen. „Mittels sogenannter elektrodynamischer Fragmentierung wird die Schlacke ultrakurzen Unterwasserimpulsen sog. Blitzentladungen ausgesetzt und dabei selektiv in ihre mineralischen Bestandteile und Eisen zerlegt“.
Fraktionen, die beim Entschwefelungsprozess von Roheisen entstehen, können zum Beispiel als Sandersatz in der Zementindustrie Verwendung finden.
Diese sogenannte Mineralik kann in der Bauindustrie als Sandersatz, z.B. als Gesteinskörnung im Beton oder als Zementsubstitut genutzt werden. In diesem Rahmen arbeiten die Expert:innen von thyssenkrupp eng mit dem Fraunhofer IBP in Valley, den Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna sowie dem Südbayerischen Portland-Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH zusammen.
Schwefel – ein wichtiger oder unverzichtbares Düngemittel
Neben der Bauindustrie kann das schwefelhaltige Nebenprodukt auch in anderen Branchen eingesetzt werden, denn Schwefel ist auch ein gefragtes Düngemittel in der Agrarwirtschaft. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung ist die Landwirtschaft einem enorm hohen Produktivitätsdruck ausgesetzt. Die aufbereitete Roheisen-Entschwefelungsschlacke kann dieser wachsenden Nachfrage entgegenkommen. Partner des Forschungsprojektes von thyssenkrupp Materials Services ist auf diesem Fachgebiet die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
Der gewonnene Schwefel aus dem "Entschwefelungsprozess“ bildet die ideale Basis für Düngemittel.
Vorbereitungen auf den Einsatz im industriellen Maßstab
„Nach der erfolgreichen Ausarbeitung der Prozesskette im Labor werden wir eine Versuchsanlage aufbauen“, so Dohlen. „Sie wird die Grundlage für die Weiterentwicklung der Aufbereitung und Verwendung von Roheisen-Entschwefelungsschlacke bilden“. Durch die enge Einbindung der anderen Industrieunternehmen sollen realitätsnahe Bedingungen entstehen. „Wir wollen den Energieaufwand und die CO2-Emissionen der Recyclingprozesse soweit reduzieren, dass eine ökologische und ökonomische Tragfähigkeit gewährleistet ist“, erläutert der Experte die weitere Planung.
Damit bereitet das Forschungsteam das Projekt RESyling auf einen Einsatz im industriellen Maßstab vor, der sowohl wirtschaftlich als auch nachhaltig ist. Denn, die Rohstoffe, die aus den Recylingprozessen entstehen, verringern nicht nur die Ressourcenabhängigkeit von Deutschland, sie sparen auch viele Kilometer an Transportwegen und die damit verbundenen Emissionen ein sowie den Abbau von Primärrohstoffen. Ganz zu schweigen von der Deponierung.