Das wahrscheinlich modernste Skateboard der Welt – made by thyssenkrupp!
Was Kalifornien und das beschauliche Ilsenburg mitten im Harz gemeinsam haben?
Vermutlich nicht allzu viel - bis die beiden Azubis Sarah Vogel und Max Jäger einen tollkühnen Plan ausheckten.
Im sonnigen Kalifornien wurde in den 1950er Jahren der Legende nach das Skateboard erfunden. Die ersten Exemplare waren dabei nicht viel mehr als einfachste Holzbretter mit Stahlrollen – und einem ziemlich zweifelhaften Fahrverhalten. Wer hätte damals auch nur erahnen können, was rund 70 Jahre später im 14.000 Kilometer entfernten Ilsenburg in Deutschland entstehen würde? Im Rahmen eines Azubi-Projekts bei thyssenkrupp Camshafts in Ilsenburg entwickelten die Auszubildenden Sarah Vogel und Max Jäger ein Skateboard, das mit modernster Technik ausgestattet ist. Außer dem klassischen Konzept (Deck, zwei Achsen mit je zwei Rollen) erinnert kaum etwas an die Rollbretter aus dem letzten Jahrhundert.
Innovative Mobilitätslösung für die „Last Mile“
Und weil der Geschäftsbereich thyssenkrupp Camshafts in Ilsenburg zu den innovativsten und erfolgreichsten Unternehmen im Bereich von Nockenwellen, Ventiltriebkomponenten und Zylinderkopfhauben für Pkw, Lkw und Motorräder weltweit gehört, wollten sich Sarah und Max nicht lumpen lassen. Es musste also ein möglichst innovatives und spektakuläres Konzept her. Als neuartige, urbane Mobilitätslösung für die „Last Mile“ und mit einem gewissen Coolness-Faktor drängte sich ein E-Longboard quasi auf – eine elektrisch angetriebene und etwas längere Version eines Skateboards, die sich besonders gut zum Cruisen eignet.
In Ilsenburg wird das Skateboard neu gedacht
Und je mehr die beiden Mechatroniker-Azubis über ihr gemeinsames Projekt nachdachten, um so dicker wurde das Lastenheft. Am Ende sollte eines der modernsten Skateboards der Welt dabei herauskommen. Wenn man so will, schrieben die beiden also nicht weniger als Skateboard-Geschichte.
„Zunächst haben wir uns einen Überblick verschafft“, erinnert sich Sarah. „Was gibt es auf dem Markt, was wollen die Leute und vor allem: Was kann man besser machen?“ Offenbar eine ganze Menge.
Perfekt ausgestattete Lehrwerkstatt
In etwas mehr als sechs Wochen konzipierten, entwickelten, fertigten und optimierten Sarah und Max ihr Longboard, das mit einer wahren Flut an Features begeistert. Mit moderner CAD-Software wurde das Longboard zunächst konstruiert und eine statische Belastungssimulation ausgeführt. Anschließend fertigten die beiden Azubis alle Teile in der Lehrwerkstatt in Ilsenburg: Mal musste gegossen, mal CNC-gefräst werden. Zuguterletzt mussten die Steuerung und die Kommunikationsumgebung programmiert werden. Dabei profitierten sie von der optimalen Ausstattung ihrer Lehrwerkstatt. „Wir sind in der Firma sehr gut ausgestattet und haben jedes Equipment und alle Maschinen, die wir benötigen“, bestätigt Ausbildungsleiter Immo Fricke.
Sarah und Max präsentieren stolz ihr E-Longboard.
Herzstück E-Antrieb
Herzstück des Elektro-Longboards ist der Antrieb. Weil die beiden bei ihrem Konzept auf herkömmliche Skateboard-Achsen setzten, mit denen der Fahrer durch Gewichtsverlagerung auch das Lenken übernimmt, musste ein durchdachtes Antriebskonzept her. Aufgrund der vorhandenen Achskonstruktion, die einen durchgängigen Antrieb für beide Räder einer Achse unmöglich macht, entschieden sich die Nachwuchs-Mechatroniker für eine „DualDriveUnit“: Je ein etwas versetzter E-Motor treibt dabei ein Rad an.
„Wir entschieden uns für einen Antrieb über einen Zahnriemen. Dadurch ergeben sich beispielsweise im Vergleich zu einem Radnabenantrieb mehrere Vorteile“, ist Max überzeugt. „Zum einen haben wir dadurch eine weitere Untersetzung. Zum anderen können wir dadurch eine gewisse Laufruhe erzielen, das Fahren ist angenehmer und vor allem beim Anfahren ruckelt es auf diese Weise nicht“. Insgesamt satte 8.800 Watt Spitzenleistung bietet das System. Deutlich erkennbare schwarze Striche auf dem Boden der Lehrwerkstatt zeugen – sehr zur Freude des Ausbildungsleiters – von der Leistungsfähigkeit des Longboards. Gut, dass die Höchstgeschwindigkeit bei 27 km/h abgeriegelt wird.
KERS, Tempomat und Traktionskontrolle…
Außerdem realisierten die Ilsenburger Azubis ein rekuperatives Bremssystem (KERS). Bei diesem System wird die beim Bremsen erzeugte Bewegungsenergie in elektrische Energie umgewandelt und im Lithium-Polymer-Akku gespeichert. Diese kann anschließend für den Antrieb oder andere Zwecke genutzt werden. Dieser flach unter dem Deck aus Alu verbaute Akku macht nicht nur eine Reichweite von bis zu 45 Kilometern möglich. Er kann auch genutzt werden, um externe Geräte mit bis zu 800 Watt zu betreiben. „Uns war wichtig, die Energie auch anderweitig zu nutzen. Wenn man nicht fährt, können andere elektrische Geräte geladen oder betrieben werden, also zum Beispiel ein Handy oder auch eine Heckenschere“, schmunzelt Max, der nach seiner Ausbildung Maschinenbau studieren will.
Die Features des E-Longboards lesen sich wie die Ausstattungsliste eines modernen Pkw. Schließlich ließen es sich die thyssenkrupp Auszubildenden nicht nehmen, das Board auch noch mit Traktionskontrolle, Tempomat und ABS auszustatten. Als modernes Gadget lässt sich das E-Longboard darüber hinaus mit dem Smartphone oder der Smartwatch verbinden. Trotz der zahlreichen Technik-Gadgets „wiegt das Board komplett fertig montiert lediglich 14,21 Kilogramm“, freut sich Max.
„Das gibt es nur ein Mal“
Herausgekommen ist also ein wirklich spektakuläres Produkt, von dem Ausbildungsleiter Immo Fricke nicht ohne Stolz sagt: „Ein Longboard dieser Art, mit so einem Akku und einer so hohen Leistung, das gibt es so nur ein Mal. Alle, die das Board gesehen haben, waren begeistert. Und ich glaube, dass viele nicht damit gerechnet haben, dass wir so etwas hier umsetzen können“. Unter der Leitung von Immo Fricke realisieren die Azubis in Ilsenburg in jedem Ausbildungsjahr praktische Projekte. „Solche Projekte sind wichtig, um Teamarbeit kennenzulernen, handwerkliches und kreatives Geschick zu entwickeln“, ist Immo Fricke überzeugt. „Wir wollen unsere Azubis motivieren, sich einzubringen, etwas zu entwickeln und, wenn man so will, ein Feuer in ihnen entfachen“. Das hat im Falle von Sarah und Max hervorragend funktioniert: „Das Projekt hat auf jeden Fall richtig viel Spaß gemacht“, erklärt Max. „Wir haben alles in der Ausbildung Gelernte noch einmal von A bis Z in der Praxis wiederholt.“
Nun steht das E-Longboard als modular entwickeltes Konzept anderen Auszubildenden zur Weiterentwicklung zur Verfügung. Sofern sich überhaupt noch irgendwo Optimierungspotenzial ergeben sollte…