Fabienne Wohlwend: Leben am Limit
Egal ob im 270 PS starken Formel-3-Renner oder an Bord ihres 670-PS-Ferrari: Fabienne Wohlwend ist auf den traditionsreichsten Rennstrecken Europas zuhause. Als schnellster Export Liechtensteins repräsentiert die Rennfahrerin stolz die Farben des Fürstentums – und die von thyssenkrupp.
Wenn Fabienne Wohlwind auf ihrem Instagram-Account das Foto-Album der Familie öffnet, dann lächelt nicht selten ein kleines Mädchen mit strahlendem Lächeln und leuchtenden Augen in die Kamera. Meist mit einem riesigen Pokal an der Seite. Es sind Dokumente einer unbeschwerten und dennoch höchst erfolgreichen Kindheit im Kartsport. „Wir sind eine sehr Motorsport-begeisterte Familie“, verrät Fabienne. „Mein großer Bruder bekam ein altes Kart von unserem Vater geschenkt. Und als ich mich mit sechs Jahren erstmals selbst in eines gesetzt habe, war für mich klar: Das möchte ich auch machen!“ Zum siebten Geburtstag bekam Fabienne ihr erstes eigenes Kart. Der Beginn einer großen Kart-Karriere.
„Ab diesem Zeitpunkt waren wir eigentlich jedes Wochenende auf einer Kart-Strecke in der Schweiz und in Norditalien“, so die Liechtensteinerin. Nicht nur das Familien-Foto-Album wurde voller und voller, auch der Trophäenschrank der Wohlwends wurde schnell ein paar Nummern zu klein. Später fuhr Fabienne sogar in der Deutschen Kart Meisterschaft und auch bei ein paar Läufen der Kart-Weltmeisterschaft mit.
Weil die Ergebnisse im Kartsport mit vielen Siegen und gewonnenen Meisterschaften bis zum Schluss stimmten, wagte die junge Motorsportlerin 2016 den Schritt in die italienische Formel-4-Meisterschaft. Die Unterstützung der Familie war Fabienne auch weiterhin gewiss. „Aber nur unter einer Voraussetzung: Ich sollte stets einen Plan B in der Hinterhand haben“, so Fabienne, die fortan eine Ausbildung zur Bankkauffrau machte. Und weil professioneller Motorsport ins Geld geht, wurde es nun auch immer wichtiger, Sponsoren zu akquirieren. „Ich mache die Sponsoren- und Medienarbeit seit jeher komplett selbst“, berichtet das Motorsport-Talent. Alle Partner habe ich selbst akquiriert, indem ich persönlich den Kontakt zu spannenden Unternehmen gesucht habe“.
thyssenkrupp: Der perfekte Partner
So wie im Falle von thyssenkrupp: „2017 schrieb ich dem CEO der thyssenkrupp Presta AG eine Mail und fragte, ob ich mich mal persönlich vorstellen kann“. Sie durfte – und überzeugte das Management. Seitdem wird Fabienne von der Lenkungssparte von thyssenkrupp unterstützt. Eine perfekte Partnerschaft, ist Fabienne überzeugt: „Schließlich ist die thyssenkrupp Presta AG der größte Arbeitgeber in Liechtenstein. Die Zusammenarbeit wurde über die Jahre immer enger – es macht wirklich Spaß, thyssenkrupp zu repräsentieren!“
Es folgte eine Saison im Audi TT Cup im Rahmen der DTM, bis sie von „Octane 126“ kontaktiert wurde. Das erfolgreiche Rennteam aus der Schweiz suchte eine nachgewiesenermaßen schnelle Frau für die europäische Ferrari Challenge – ein höllisch schneller und knüppelharter Markenpokal, bei dem die Teilnehmenden auf absolut identischen Rennfahrzeugen unterwegs sind.
Als Ferrari-Fan konnte und wollte Fabienne nicht nein sagen und zeigte auf Anhieb, wie schnell sie auch in einem 670-PS-Boliden sein konnte. Nach einem fünften Platz im ersten Rennen und einem Ausfall im zweiten, fuhr sie in Imola auf P1: Der erste Rennsieg einer Frau in der Ferrari Challenge! Ihr Team war begeistert - und nahm sie sofort unter Vertrag.
2018 fuhr Fabienne die komplette Meisterschaft für Octane 126 und wurde prompt Vize-Europameisterin in der Ferrari Challenge. „Beim großen Weltfinale der Saison 2018, bei dem die besten Fahrer der Ferrari Challenge aus Europa, USA und Asien dabei waren, konnte ich das Rennen in Monza gewinnen. Somit wurde ich erste weibliche Ferrari-Weltmeisterin“, freut sich Fabienne über einen weiteren Meilenstein ihrer noch jungen Karriere. Dass sie als Frau im nach wie vor von Männern dominierten Motorsport erfolgreich war – für Fabienne kein großes Thema: „Ich habe sehr schnell gemerkt, dass ein gewisser Respekt vorhanden war, weil ich den klassischen Motorsport-Werdegang vom Kart bis hin zu Tourenwagen hinter mir hatte und direkt Resultate gezeigt habe“, so Fabienne.
„Ich versuche immer, etwas Positives aus jeder Situation zu machen“
Durch die Erfolge im Ferrari wurde auch die „W Series“ auf Fabienne aufmerksam: Die Liechtensteinerin wurde zur Sichtung eingeladen, setzte sich gegen 100 andere Mitbewerberinnen durch und qualifizierte sich für die Formel-Serie, in der ausschließlich Pilotinnen an den Start gehen. „Die W Series ist eine Mega-Plattform, um zu lernen, weiterzukommen und sich zu präsentieren“, freut sich die heute 23-Jährige. In der ersten Saison verfehlte Fabienne knapp den fünften Rang im Gesamtklassement. Highlight: Die Pole-Position und ein dritter Platz in Misano.
„Mit meinen Fahrerverträgen in der W Series und bei Octane 126 in der Ferrari Challenge kam ich schnell zu der Erkenntnis, dass sich das Programm nicht mit meinem Job vereinbaren lässt“, erklärt Fabienne. Ich ging volles Risiko und kündigte bei der Bank meinen Job als Compliance Officer. Das war Ende 2019 – und im März kam dann der Lockdown. Das Timing war also wenig optimal.“ Doch die ehrgeizige Liechtensteinerin steckte den Kopf trotz Corona-Krise nicht in den Sand. Im Gegenteil: „Ich bin ein positiver Mensch und versuche immer, etwas Positives aus jeder Situation zu machen. Ich habe mich intensiv um Sponsoren gekümmert, was tatsächlich sehr erfolgreich war. Zudem habe ich körperlich viel trainiert und im Simulator gearbeitet.“ Dabei konnte sich Fabienne auch auf ihre Sponsoren verlassen: „An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei thyssenkrupp und meinen anderen Partnern bedanken, dass sie an meiner Seite standen und mich weiter unterstützt haben. Das hat mir viel Sicherheit gegeben.“
Aufgeben ist generell nicht ihr Ding: „Ich versuche, stets fokussiert zu bleiben, meine Ziele immer im Auge zu behalten und positiv zu bleiben, auch wenn es mal hart wird. Wie zum Beispiel im Corona-Jahr 2020“. Oder 2019, als Fabienne einen heftigen Abflug im berühmt-berüchtigten Streckenabschnitt „Schwedenkreuz“ der Nürburgring-Nordschleife hatte, den sie glimpflich mit ein paar Prellungen überstand. Nach dem Crash galt ihre einzige Sorge ihrem Helm: „Ist der noch ganz? Ich brauche den in einer Woche beim nächsten Rennen!“ Unnötig zu erwähnen, dass Fabienne eine Woche nach dem Crash tatsächlich wieder im Rennauto saß - und in der W Series in Brands Hatch auf den fünften Rang fuhr.
Fabienne startet 2021 im Rahmenprogramm der Formel 1
Auch in diesem Jahr greift Fabienne wieder voll an. So etwas auf einer ihrer absoluten Lieblingsrennstrecken, dem Nürburgring: „Ich habe in diesem Jahr meine Nordschleifen-Permit gemacht und bin in der Saison auf dem Nürburgring alle Rennen zur Nürburgring-Langstreckenmeisterschaft, das 24-Stunden-Qualifikationsrennen und das 24-Stunden-Rennen gefahren.“
Und auch in der W Series möchte die 1,63 Meter kleine Rennfahrerin endlich den ersten Sieg holen. „Mein Plan ist natürlich, da weiter zu machen, wo wir 2019 vor der Corona-Pandemie aufgehört haben“, so Fabienne. „Auch wenn es hart und sehr eng werden wird: Über die ganze Saison gesehen peile ich die Top 3 an. Besonders freue ich mich, dass wir im Rahmenprogramm der Formel 1 starten und dementsprechend viel Medienaufmerksamkeit bekommen werden.“
Die Pilotinnen haben dabei erschreckend wenig Raum für Fehler: „Alle haben nur ein Free Practice, ein Qualifying und ein Rennen. Dementsprechend ist der Druck voll da, sofort abzuliefern“. Doch im Abliefern war Fabienne schon immer ganz groß. Der Trophäenschrank im Hause Wohlwend spricht eine deutliche Sprache.