Unternehmensmeldungen Apr 3, 2000 2:00 AM
Zusammenarbeit mit Atecs Mannesmann
von Dr. Gerhard Cromme Vorsitzender des Vorstands der Thyssen Krupp AG
anlässlich der Bilanz-Pressekonferenz am 3. April 2000. Es gilt das gesprochene Wort.
Der Aufsichtsrat der Thyssen Krupp AG hat in seiner Sitzung am 31. März 2000 das Konzept des Vorstands verabschiedet, ein Angebot zum Erwerb von 100 % der Atecs Mannesmann AG abzugeben. Dies umfasst das gesamte weltweite Geschäft von Rexroth, Dematic, Demag Krauss-Maffei, VDO und Sachs mit einem Umsatz von rund 12 Mrd Euro und rund 90.000 Mitarbeitern. Dieses Angebot wurde Mannesmann – wie angekündigt - im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung ThyssenKrupp übermittelt.
Warum strebt ThyssenKrupp einen Erwerb von Atecs Mannesmann an?
ThyssenKrupp steht als großer deutscher Industriekonzern vor einer Reihe von Herausforderungen. Dazu gehören
- ・ die neue Phase der Globalisierung,
- ThyssenKrupp beabsichtigt, in dieser Zeit die beschlossene Konzentration auf die Kerngeschäfte Automobilzulieferaktivitäten, Aufzüge und die Maschinenbaubereiche fortzuführen und den Dienstleistungsbereich weiterzuentwickeln. Parallel dazu wird der Börsengang von ThyssenKrupp Steel umgesetzt.
- Durch die Ausgliederung, den Börsengang und den beabsichtigten Verkauf von Aktivitäten von ThyssenKrupp wird die Finanzierung des Kaufpreises für Atecs Mannesmann nach zwei bis drei Jahren weitgehend zurückgeführt sein.
- Atecs Mannesmann kann in dieser Zeit die für alle fünf Aktivitäten beschlossenen Strategien grundsätzlich fortführen. Eine Veräußerung von Aktivitäten von Atecs Mannesmann zur Finanzierung des Kaufpreises ist nicht vorgesehen. Industriell motivierte Veränderungen des Konzernportfolios insgesamt bleiben unberührt.
- Vergütungssysteme, wie sie heute bei ThyssenKrupp und Mannesmann praktiziert werden, zum Beispiel Stock Options oder Phantom Stocks, sollen auch zukünftig, harmonisiert, Bestandteil eines Vergütungssystems sein.
- Der Vorsitzende des Aufsichtsrates und der Vorsitzende des Vorstandes von Atecs Mannesmann sollen Mitglieder des Vorstandes der Thyssen Krupp AG sein. Hierdurch werden Transparenz, Motivation und Integration von Atecs Mannesmann sichergestellt.
Ziel dieses Vorschlags ist es, die Mitarbeiter von Atecs Mannesmann als gleichberechtigte Partner zu motivieren. Befürchtungen, es käme durch die Fusion zur Aufgabe von Standorten oder gar zum Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen, entbehren jeglicher Grundlage.
Kaufpreis und Finanzierung
Auf der Grundlage der von Mannesmann erhaltenen Unterlagen hat ThyssenKrupp für Atecs Mannesmann einen Unternehmenswert (Enterprise Value) in Höhe von 8,75 Mrd Euro ermittelt.
Der von ThyssenKrupp zu zahlende Kaufpreis ermittelt sich aus diesem Unternehmenswert abzüglich der Atecs Mannesmann zuzuordnenden Pensionsrückstellungen zum 31.12.1999 (ermittelt nach US-GAAP) sowie der Nettofinanzverbindlichkeiten von Atecs Mannesmann im Zeitpunkt des Closing.
ThyssenKrupp liegt eine verbindliche Finanzierungszusage vor.
ThyssenKrupp verfügt über ein Spektrum von Refinanzierungsmöglichkeiten bezüglich der Akquisitionsfinanzierung, unter anderem durch den geplanten Börsengang von ThyssenKrupp Steel im Jahr 2000. Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung von ThyssenKrupp sind weitere Desinvestments vorgesehen. Der Mittelzufluss soll zur Rückführung der Akquisitionsfinanzierung eingesetzt werden. Der Verkauf von Gesellschaften und Teilen von Atecs Mannesmann ist nicht Teil des Finanzierungskonzeptes.
Damit liegt ein schlüssiges Finanzierungskonzept zum Erwerb von 100% von Atecs Mannesmann vor.
Ein neuer globaler Konzern entsteht am Standort Deutschland
Der Zusammenschluss mit Atecs Mannesmann setzt die strategische Neuorientierung von ThyssenKrupp konsequent fort: Die Fokussierung auf Kerngeschäfte zeigt eine klare Ausrichtung auf Automobilzulieferung, hochwertigen Maschinenbau und innovative Dienstleistungen. Der Zusammenschluss bringt darüber hinaus ein hohes nutzbares B2B-Volumen. Ein weltweites Servicenetz entsteht.
ThyssenKrupp und Atecs Mannesmann wären zusammen ein weltweit tätiger Konzern. Am Standort Deutschland entsteht die Schaltzentrale eines neuen globalen Konzerns für hochwertige Investitionsgüter und Dienstleistungen. Etwa 80% der Umsätze ergänzen oder überlappen sich, sodass eine Zusammenführung zu einer deutlichen Verstärkung der jeweiligen Aktivitäten führen würde. Das führende europäische Engineering- und Automotive-Unternehmen hätte eine exzellente Basis für Wachstum am Standort Deutschland, in Europa und weltweit.
・ die Durchdringung der Wirtschaft mit E-Commerce,
・ der fortschreitende Konzentrationsprozess unter den Kunden insbesondere in der Automobilindustrie und
・ der härter werdende Wettbewerb um gute Mitarbeiter und Führungskräfte.
Diese Herausforderungen wird nur bestehen, wer in den jeweiligen Geschäftsfeldern über die nötige "Schwungmasse", das heißt über die kritische Größe verfügt. Kunden erwarten ein attraktives Produkt- und Dienstleistungspaket, Mitarbeiter und Führungskräfte suchen einen Arbeitsplatz mit Perspektiven.
ThyssenKrupp und Atecs Mannesmann – das wäre eine "Wachstumsfusion". Durch die Komplementarität der Aktivitäten und die gemeinsame Größe entstünde eine neue gemeinsame Ausgangsbasis, um die Märkte noch erfolgreicher bearbeiten zu können.
Der Erwerb von Atecs Mannesmann würde die im Dezember 1999 verabschiedete strategische Neuausrichtung von ThyssenKrupp konsequent fortführen.
Notwendig sind in einzelnen Kerngeschäftsfeldern entweder viele Einzelschritte und Einzelakquisitionen, um die führende Position übernehmen bzw. festigen zu können oder es erfolgt ein Quantensprung, der den Konzern und damit die Geschäftsfelder in eine neue Größenordnung führt. Ein Zusammenschluss ThyssenKrupp mit Atecs Mannesmann wäre ein solcher Quantensprung.
Daher ist ThyssenKrupp der Überzeugung, dass die Zusammenführung vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks industriell sinnvoll ist und dass diese Verbindung gegenüber allen anderen Strategien den beteiligten Unternehmen die besten Chancen bietet. Die Wachstumsstrategien, die von beiden Unternehmen verfolgt werden, lassen sich gemeinsam zügiger und erfolgreicher umsetzen.
Wie ist Atecs Mannesmann ausgerichtet?
Atecs Mannesmann verfügt über starke, unabhängig geführte Einzelunternehmen. Rexroth, Dematic, Demag Krauss-Maffei, VDO und Sachs sind in ihren jeweiligen Branchen führend. 75 % des Umsatzes werden im Maschinenbau und in der Automobilzulieferung mit Produkten erzielt, die weltweit Spitzenposition einnehmen.
Aus der Sicht von ThyssenKrupp ist eine Zusammenarbeit von Siemens VDO, wie sie auch von Atecs Mannesmann angestrebt wird, ein sinnvoller strategischer Schritt. ThyssenKrupp geht davon aus, dass auch nach einem Erwerb von Atecs Mannesmann das Joint Venture gemeinsam durchgeführt wird.
Wo liegen die strategischen Potenziale des Zusammenschluses?
Im Bereich Automotive verbindet sich die hohe Profitabilität der Mechanik-Kompetenz von ThyssenKrupp mit der Elektronik-Kompetenz von Atecs Mannesmann und deren hohem Wachstum.
・ Es entsteht ein Fahrwerkstechnologieverbund, mit dem alle Dämpfungssysteme der Zukunft abgedeckt werden.
・ Entwicklung und Produktion von Systemen im Antriebsstrang werden möglich; zum Beispiel Präzisionsschmiedeteile für Getriebe und Differenziale, Systemlieferant von automatisierten Schaltgetrieben, elektronische Kupplungssysteme.
・ Das Cockpit der Zukunft entsteht als Komplettsystem durch Zusammenarbeit von Krupp Presta bei Lenksäulen, Krupp Drauz und Camford Pressing bei Strukturteilen mit der Elektronik-Kompetenz von VDO.
・ Auch regional ergänzen sich beide Unternehmen hervorragend: ThyssenKrupp ist in den USA und Südamerika stark, Atecs Mannesmann in Asien und Osteuropa präsent.
Bereits heute gibt es eine enge Zusammenarbeit von ThyssenKrupp und Atecs. Beispielsweise arbeiten Krupp Presta und VDO bei elektrischen Lenkhilfe-Systemen zusammen, ebenfalls bei der Stirnwand des Smart. Thyssen Umformtechnik Guß Brackwede und Sachs kooperieren bei Blechpressteilen, zwischen Kloth Senking und Sachs besteht eine Entwicklungspartnerschaft für den Audi B 6.
Die Zusammenarbeit mit Siemens wäre eine weitere Chance, denn sie würde die Elektronik-Kompetenz stärken. Ohne Siemens würden ThyssenKrupp und Atecs Mannesmann weltweit Rang 9 unter den Automobilzulieferern einnehmen, mit Siemens könnten sie eine Position unter den TOP 5 aufbauen.
Nicht anders im Maschinenbau. Die Zusammenführung der Aktivitäten von ThyssenKrupp und Atecs eröffnet die Möglichkeit, ein global agierendes Spitzenunternehmen für technisch hochwertige Maschinenbaukomponenten und –systeme zu werden. Schon heute belegt Dematic beim Material Handling weltweit Platz 1, Rexroth in der Hydraulik ebenfalls. ThyssenKrupp Elevators nimmt in der Weltrangliste den dritten Platz ein, Rothe Erde, Rexroth und Berco bei Maschinenbaukomponenten Platz 1. Eine starke Position ergäbe sich auch im Kunststoffmaschinenbau durch die Zusammenarbeit von ThyssenKrupp Plastics Machinery und der Kunststofftechnik von Demag Krauss-Maffei.
Im Maschinenbau ergänzen sich nicht nur Produkte, sondern auch Regionen hervorragend: Während ThyssenKrupp in Europa und in Amerika stark ist, ist es Atecs Mannesmann in Asien.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
In der Vergangenheit hat ThyssenKrupp schon Erfahrungen in der Zusammenführung von großen Konzernen gewonnen, wie die Erfolgsbilanz der Zusammenführung von Krupp und Hoesch sowie die Schaffung des ThyssenKrupp Konzern belegen. Diese Beispiele veranschaulichen die soziale Kompetenz, durch unterschiedliche Traditionen geprägte Unternehmen harmonisch zusammenzufügen. Dies wird auch mit Atecs Mannesmann gelingen.
Aufbauend auf den zwischen ThyssenKrupp und Mannesmann geführten Gesprächen sollen folgende Eckpunkte Bestandteil eines Integrationskonzeptes sein:
- ・ Atecs Mannesmann bleibt für 2 bis 3 Jahre als Einheit mit eigenem Vorstand und eigenem Aufsichtsrat bestehen.