Produkte und Lösungen Apr 17, 2009 11:30 AM
Multitalent beim Brückenbau
Ihr 123,60 m langer Betonüberbau führt über aktive Eisenbahngleise und musste deshalb in einer um 20 cm überhöhten Position auf einem Traggerüst hergestellt werden, um dann nach Fertigstellung in die Endposition abgesenkt zu werden. Doch damit nicht genug: Die von RöRo entwickelte Tragkonstruktion diente gleichzeitig auch als Auflager und Arbeitsplattform für die Montage der stählernen Brückenbögen.
Seit 2003 ist die direkte Brückenverbindung (Ripshorster Straße) zwischen dem Essener Stadtteil Dellwig und Oberhausen-Borbeck wegen Baufälligkeit unterbrochen. Das wird sich mit Inbetriebnahme der neuen Sinusbogenbrücke ändern. Wie der Name schon sagt: Die knapp 124 m lange Tragkonstruktion besteht aus insgesamt fünf sinuskurvenartig verlaufenden Stahlbögen, die in fünf Feldern sechs aktive Gleise sowie das Gelände eines ehemaligen Sammelbahnhofs überspannen. Der 15,70 m breite Überbau aus Fahrbahn, Geh- und Radwegen bildet – betrachtet man die Brücke von der Seite – sozusagen die x-Koordinate der Sinuskurve. Dementsprechend ist er in drei Brückenfeldern in die Bogenkonstruktion eingehängt, in zwei Feldern ist er aufgeständert. An beiden Brückenenden tragen konventionelle Widerlager den Überbau. Das Bild von der Sinuskurve passt allerdings nicht hundertprozentig, denn diese zeichnet sich durch gleichmäßig hohe Amplituden aus. Die Brücke an der Ripshorster Straße besitzt hingegen wegen der zu überquerenden Gleisstrecke einen größeren und vier identische, kleinere Bögen: Deren Spannweiten – gemessen am Durchstoßpunkt zur Fahrbahnplatte – betragen 30 m am großen Bogen und viermal 19 m.
Um den Überbau für das luftige Ingenieurbauwerk betonieren zu können, aber auch als Arbeitsplattform zur Montage der Stahlbögen brauchte die bauausführende Echterhoff GmbH & Co.KG aus Westerkappeln eine Lösung, die den permanenten Betrieb der sechs Bahngleise unterhalb des 30-Meter-Bogens sicherte. Solche Aufgabenstellungen sind das Spezialgebiet der RöRo Traggerüstsysteme aus Wuppertal. Sie haben nicht nur das Traggerüst zur Betonage der im Mittel 50 cm starken Fahrbahnplatte entwickelt, sondern der ganzen Konstruktion auch hydraulische Beweglichkeit verliehen, um den fertigen Überbau (Gewicht: 165 kN/m) als komplette Einheit in seine 20 cm tiefere Endposition absenken zu können. So ließ sich während des gesamten Brückenbaus das von der Bahn vorgeschriebene Lichtraumprofil einhalten.
Exakte Bauablaufplanung
Insgesamt sechsmal treffen sich bei der Sinusbogenbrücke Fahrbahn und Stahlbogen – und an genau diesen Punkten hatten die Traggerüstexperten Stützjoche montiert. Diese Schwerlastjoche aus S250-Stützen mit einer Einzeltragfähigkeit von bis zu 2.600 kN erfüllten gleich zwei entscheidende Aufgaben: Genau hier wurden die einzelnen Brückenbögen vor ihrer Montage aufgelagert. Später dienten die Joche dann als Ansatzpunkte zum hydraulischen Absenken des Überbaus. Dazu waren die S250-Stützen mit hydraulischen Fußstücken ausgestattet. Die Auflagerung des Überbaus auf den Stützjochen erfolgte auf Konsolen, die an die Stahlbögen geschweißt waren. Wichtiges Detail: Die Unterkante der Konsolen verlief bündig mit der Unterkante der Fahrplanplatte, so dass sie im Endzustand unsichtbar im Überbau verschwinden.
Doch zunächst mussten die Bögen montiert und die Fahrbahnplatte hergestellt werden. Dazu wurden die Schwerlastjoche in ein bis zu 7 m hohes, flächiges Traggerüst integriert, das sowohl als Arbeitsplattform wie auch als Schalgerüst diente. In den vier jeweils 19 m langen Brückenfeldern sowie den knapp 9 m überspannenden Bereichen an den Widerlagern wurde das Traggerüst aus Rahmenstützen und Rähmhölzern 16/20 montiert. Im kritischen Bereich des 30-m-Bogens hingegen bestand die Tragkonstruktion aus Schwerlaststützen mit Einzeltragfähigkeiten von bis zu 500 kN und Stahlträgern HE160B bis HE500B. Mit ihnen ließen sich die von der Bahn geforderten Lichträume frei überbrücken.
Um das Traggerüst auch als Arbeits- und Montagefläche zur Montage der stählernen Brückenbögen zu nutzen, haben die Gerüstbauer die komplette Fläche zunächst mit Dielen ausgelegt. Nachdem alle unteren und oberen Bögen aufgestellt und miteinander verschweißt waren, wurde diese Dielenlage wieder entfernt und die Schalung zur Herstellung der Fahrbahnplatte eingebaut. Die Betonage des Überbaus erfolgte Mitte November 2008.
Dann folgte im letzten Arbeitsschritt das Absenken des fertigen, knapp 124 m langen Überbaus. Dazu mussten allerdings zunächst die Lasten vom Traggerüst auf die Stützjoche und die Widerlager umgelastet werden. Dazu wurde der komplette Überbau mit (eingebauten) Hydraulikpressen gleichmäßig um zirka 5 cm angehoben. Die Ableitung der in dieser Phase auftretenden Horizontallasten hatten die Wuppertaler Ingenieure selbstverständlich bereits in ihre Tragkonstruktion integriert: Für die Ableitung der in Brückenquerrichtung auftretenden Kräfte waren Verbände in den Stützjochen zuständig, die Lastableitung in Brückenlängsrichtung erfolgte durch sogenannte Knaggenkonstruktionen (Anschläge) an den beiden Bogen-Fußpunkten der Brücke.
Nach dem Ausbau der Schalung konnte das nunmehr lastfreie Traggerüst demontiert werden, so dass auch über dem Bahngelände ausreichend Platz für das gleichmäßige Absenken der Fahrbahn auf Sollniveau war. Eigentlich hätte der Absenkvorgang lediglich zwei Arbeitstage beansprucht, doch der außerordentlich kalte Winter hat den Hydraulikspezialisten einen Strich durch die Rechnung gemacht und eine zweiwöchige Zwangspause verursacht. Doch auch das ist mittlerweile Vergangenheit: Der Überbau ist an seinem vorgesehenen Platz, alle Lagerpunkte sind vergossen, Hydraulikanlage und Stützjoche ausgebaut. Ende April 2009 soll die neue Ripshorster Brücke dem Verkehr übergeben werden.