Produkte und Lösungen Jan 29, 2007 11:00 AM
Kraftakt im Kraftwerk
Rund die Hälfte des beim Umbau anfallenden Aufgabenvolumens lag verantwortlich in den Händen von ThyssenKrupp Xervon Energy. Der Konsortialführer lieferte nicht nur die neue Abhitzekesselanlage mit Zusatzfeuerung und Frischlüfter. Auch die Demontage alter Anlagenteile, die Lieferung und Montage sämtlicher Abgaskanäle, Kamine, Rohrleitungen, Pumpen und Armaturen einschließlich Isolierung gehörte zum Aufgaben-Portfolio des auf die Kraftwerksindustrie fokussierten Industriedienstleisters. Ebenso wie die Verantwortung für den termingerechten Bau eines neuen 20 kV/110 kV Umspannwerks.
Die Siemens AG Power Generation steuerte die komplette Leit- und Elektrotechnik für die GuD-Anlage und das Umspannwerk bei. Siemens Industrial Turbomachinery AB (vormals Alstom Power Industrial Turbines) lieferte das Herzstück der neuen GuD-Anlage, eine Gasturbine SGT 800 mit 40 bis 50 MW. Sie verbrennt das Erdgas in „Dry-Low-Emissions-Brennkammern“ mit besonders niedrigen CO- und NOx-Emissionen bei über 1200 Grad Celsius. Das entstandene Abgas wird der Nutzleistungsturbine zugeführt, die einen Teil der Energie zum Antrieb des Gasturbinengenerators nutzt. Die immer noch 540 Grad heißen Turbinenabgase werden in der Kesselanlage zur Dampferzeugung genutzt.
Zwei Kessel in einem Gehäuse
Um eine besonders hohe Ausnutzung zu erreichen, installierte Xervon Energy einen Zweidruckkessel (Naturumlauf). Sein großes Wasservolumen ermöglicht eine gute Anpassung auch an schnelle Lastschwankungen. Er ist mit einem Hochdruck- und einem Niederdruck-Dampfsystem ausgerüstet. Die max. Dampfleistung im HD-Teil beträgt 125 t/h bei einer Heißdampftemperatur von 515 Grad Celsius und einem Austrittsdruck von 73 bar absolut. Diese Leistung wird im Abhitzebetrieb mit Zusatzfeuerung sowie im Frischluftbetrieb erreicht. Im ND-Teil wird Sattdampf von 5 bar erzeugt, und zwar rund 12 t/h. Die Besonderheit des Niederdruckteils: Wird zeitweilig kein Niederdruckdampf benötigt, so kann es bis 15 bar befüllt werden und wird bei Bedarf in Betrieb genommen.
Der Kesselkörper hängt an einem Kesseltragrost. Das gewährleistet eine freie Ausdehnung nach allen Seiten. Dehnungsbehinderungen und damit verbundene Schäden sind ausgeschlossen. Eine weitere Besonderheit dieser Kesselvariante: Alle Heizflächen sind senkrecht angeordnet und über die Sammler vollständig entwässer- und entlüftbar. Die Heizflächen bestehen aus insgesamt 28 vorgefertigten Modulen.
Isolation nach Maß
Die Kesselwände und die Gasturbinenkanäle haben die Fachleute von ThyssenKrupp Xervon Energy mit einer innen liegenden Wärmedämmung ausgerüstet. Aufgrund der Faktoren Innentemperatur, Außentemperatur, Wärmedurchgang und Auskleidungsdicke entschied man sich für eine so genannte Lagenauskleidung. Hierbei werden verschiedene Isoliermaterialien in Platten- oder Mattenform auf Ankerstifte aus Hitze beständigem Edelstahl am Blechmantel befestigt. Wo diese Lagentechnik nicht möglich war – beispielsweise bei komplizierten Kanalstrukturen – arbeiteten die Isolierer im so genannten Stapelsystem. Dabei werden Keramikfaserstreifen in 610 mm Breite, einem Zoll Dicke und in der Tiefe der Gesamtisolierdicke (meist 250 mm) auf Streckmetall geklebt.
Feuerungskonzept bringt Flexibilität
Durch die Installation von Erdgas befeuerten Kanalbrennern zwischen Gasturbine und Kessel kann die GuD-Anlage flexibel in verschiedenen Betriebsarten gefahren werden. Die insgesamt fünf Kanalbrenner mit einer Gesamtfeuerungsleistung von 50 MW können die Temperatur des Abgasvolumenstroms der vorgeschalteten Turbine bis auf 900 Grad Celsius erhöhen. Das lässt die Hochdruckdampferzeugung im Kessel auf bis zu 125 t/h steigen. Sollte die Gasturbine einmal nicht betriebsbereit sein, wird die Zusatzfeuerung zur Leistungsfeuerung. Ein Frischlüfter (Auslegungsmenge: 380 000 Nm³/h) bringt in diesem Fall die für den Verbrennungsprozess erforderliche Luft über ein Kanalsystem vor die Feuerung.
Neue Kaminanlage
Ebenfalls neu ist die von Xervon Energy projektierte und montierte Kaminanlage des Kraftwerks, die den alten 104 Meter hohen Sammelkamin ersetzt hat. Sie besteht aus drei einzelnen, zweiteiligen, doppelwandigen und freistehenden Stahlkaminen in selbsttragender Bauart. Aus optischen Gründen haben alle drei Kamine einen Tragrohrdurchmesser von vier Meter. Die Durchmesser und Wanddicken der Innenzüge hingegen variieren entsprechend der an sie gestellten technischen Anforderungen. Die 50 Meter hohen Kamine stehen im Abstand von 7,50 Meter in rund 20 Meter Höhe auf dem Dach der 43 Meter langen Turbinenhalle, deren Stahlrahmenkonstruktion entsprechend ausgelegt wurde.
Nur 13 Monate Bauzeit
So weit die neue technische Ausstattung des Würzburger Heizkraftwerkes, das nun seit gut einem Jahr besonders effizient Strom und Wärme für Würzburg erzeugt. Bei deutlich gesenkten Emissionswerten und gestiegenem Wirkungsgrad deckt die Anlage bis zu zwei Drittel des Strombedarfs und den gesamten Fernwärmebedarf der 130.000 Menschen in Stadt und Umland.
Dass die 55 Millionen Euro teure Investition in nur 13 Monaten Bauzeit realisiert werden konnte, beweist eine perfekte Projektabwicklung. Betreiber, Kraftwerksplaner, Behörden, Konsortium und dessen Unterlieferanten haben intensiv zusammengearbeitet, um den ehrgeizigen Zeitplan zu erfüllen. Und zwar unter erschwerten Bedingungen: Platznot, laufender Kraftwerksbetrieb und die sensible Verkehrssituation im Kraftwerksumfeld – das HKW ist von zwei Mainbrücken, dem Fluss und dem Zollamt eingerahmt – erforderten logistische Meisterleistungen.
Bauplatz für die neue Gasturbinenanlage und das Umspannwerk waren der bis dato aktuelle Kohlelagerplatz und die in die Jahre gekommene Kesselanlage K4 (Baujahr 1966). Letztere musste abgerissen werden, die Lagerhaltung durch Kohlelieferungen per Lkw ersetzt werden, damit die bestehenden Kraftwerksteile während der gesamten Bauphase ohne Störung weiter arbeiten konnten. Letztendlich war nur ein Totalstillstand nötig, als der Kraftwerksbetrieb auf die neue Anlage umschaltete.
Rund 30 Schwertransporte brachten in engen Zeitfenstern die Anlagenteile vor Ort. Entladen und eingebracht wurden sie per Schwerkran. Zwischenlagermöglichkeiten gab es kaum. Wege für Anlieferung, Flucht und Rettungswege, Baustelleneinrichtungen, Lagerflächen für Material und Baucontainer wurden während des Umbaus fortlaufend angepasst.
Anspruchsvolle Einzelaufgaben
„Aufgrund der Kompetenz des eingesetzten Montagepersonals gab es keine Verzögerungen im Projektablauf, ohne auf die Anforderungen des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes und die hohe Qualität der anspruchsvollen Arbeiten zu verzichten“, beurteilt Dr.-Ing. E. Rejek vom Kraftwerks-Planungsbüro Richter die ausgeführten Arbeiten. Mehr Lob kann es eigentlich nicht geben.
Drei erfahrene Mehrgewerke-Bauleiter hatte ThyssenKrupp Xervon Energy auf der Baustelle, um die bis zu 120 Mitarbeiter unterschiedlichster Fachrichtungen zu leiten und die Arbeiten zu organisieren. Dazu gehörten die stets in Kraftwerken anfallenden Aufgaben wie Kesselmontage, Rohrleitungsbau, Isolierung, Pumpen-, und Armaturenmontage, die Xervon Energy als Spezialist für den Kraftwerksbau mit eigenen Mitarbeitern abwickelte.
Ins Aufgabengebiet fielen aber beispielsweise auch die Demontage des Kessels und weiterer Anlagenbauteile. Genauso wie der Abriss des alten 104 Meter hohen Sammelkamins aus Stahlbeton mit innenliegender Rauchgasröhre. Letzterer wurde wegen der engen Platzverhältnisse zersägt und die einzelnen Segmente (max. 11 Tonnen) von einem Hochbaukran abgetragen. Mit diesem Sondereinsatz beauftragte Xervon Energy ein externes Fachunternehmen.
Auch die Herstellung des 21,60 Meter langen, 7,20 Meter breiten und 1,90 Meter hohen Fundamentblocks, auf dem alle Module der neuen Gasturbine verankert sind, lief unter Xervon-Regie. Ebenso der Betonbau und die Haustechnik für das neue Umspannwerk – ein 43 Meter langes, 14 Meter breites und 20 Meter hohes Stahlbetongebäude. Dessen Besonderheit: der Neubau ist so ausgelegt, dass die Großtransformatoren im Erdgeschoss selbst beim 300-jährigen Hochwasser in Betrieb bleiben können.
Das Spektrum der in Würzburg erbrachten Dienstleistungen war weit gefächert, wurde aber dennoch verantwortlich aus einer Hand angeboten. Dieses Gesamtpaket dürfte für künftige Kraftwerksprojekte noch einfacher zu schnüren sein – dafür sorgt der enge Verbund mit ThyssenKrupp Xervon und das in diesem Konzernbereich gebündelte Know-how.
Hintergrundinformation:
Zum HKW Würzburg:
Seit 1954 erzeugt das Würzburger Heizkraftwerk an der Friedensbrücke Strom und Fernwärme für die Stadt Würzburg und umliegende Gemeinden. Mit der 55 Millionen teuren Modernisierung des HKW hat der Konzern der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs GmbH die größte Investition der Firmengeschichte abgewickelt und den „energiewirtschaftlichen Sprung ins 21. Jahrhundert“ gemacht. Durch die Umstellung auf den Hauptenergieträger Erdgas wird jetzt der emissionsärmste fossile Brennstoff eingesetzt. Bei gesteigertem Wirkungsgrad lassen sich durch die neue Anlage gegenüber früher jährlich bis zu 120 000 Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid vermeiden.
Zum GuD-Prozess:
Durch die Verbrennung von Kohle, Heizöl oder Erdgas in einer Kesselanlage wird Dampf erzeugt. Dieser wird mit hohem Druck (72 bar) und hoher Temperatur (515 Grad Celsius) auf eine Dampfturbine geleitet. Hier entspannt er sich und treibt die Turbine an. Ein angeschlossener Generator erzeugt Strom. Der fast völlständig entspannte Dampf tritt am Ende der Turbine wieder aus und wird mit 3 bar und 180 Grad Celsius in ein Fernwärmenetz geleitet, das den Dampf zum Verbraucher bringt. Hier wird dem Dampf die restliche Energie zur Warmwassererzeugung entzogen. Diese Erzeugung von thermischer Energie, Fernwärmedampf und Strom in einem Prozess heißt Kraft-Wärme-Kopplung. Ihre Effizienz lässt sich durch die Kombination von Dampfturbinen- und Gasturbinentechnik deutlich steigert. Dabei wird in einer Gasturbinenanlage Erdgas verfeuert. Die entstehenden Heißgase treiben eine Turbine an, die wiederum einen Generator zur Stromerzeugung antreibt. Und nun kommt der entscheidende Schritt: die heißen Abgase der Gasturbine werden nicht in die Luft, sondern auf einen Kessel geleitet. Dieser Kessel erzeugt Dampf, ohne dass zusätzlich ein Brennstoff verfeuert wird. Der nachgeschaltete Dampfturbinenprozess bleibt unverändert und erzeugt weiterhin Strom und koppelt Fernwärme aus. Diese Kombination aus Gasturbinen- und Dampfturbinentechnik nennt man GuD.
(Quelle: Heizkraftwerk Würzburg GmbH)